Am vergangenen Mittwoch, kurz bevor meine Freundin in den Urlaub fuhr, besprachen wir, was wir in der Zeit ihres Urlaubs jeweils für uns tun wollten. Ich wollte eindeutig mehr für meine Beweglichkeit machen, daß heißt nicht, dass ich Bewegung für mich erzwingen will, aber dass heißt ich will meinen Bewegungsimpulsen folgen. Bewegungsimpulse sind ja im Körper teilweise intensiv massiv spürbar. Bewegung und Sport fühlt sich allerdings mitunter wie eine Strafe an. Ganz besonders schlimm fühlt sich Sport und Bewegung an, wenn ich es tun muss. Sport machen um beweglich zu werden, um abzunehmen oder wenn man von mir erwartet, dass ich dies oder jenes an Bewegung mache. Dann ist es für mich so schrecklich, dass ich heulen könnte vor Wut, dass ich mich schon wieder bewegen muss und wehe ich spüre hinterher auch noch Schmerzen oder Muskelbrennen oder Muskelkater, dann wird es beim nächsten Mal noch viel schlimmer. Ich bin dann immer ganz baff, wie endlos steigerbar, dieses Gefühl ist.
Aber wenn ich meinem Bewegungsimpuls folge, dann ist Bewegung pure Lebenslust und dann kann ich auch die Bewegung und das anschließende Körpergefühl genießen. Dann ist für mich auch spürbar, dass mein Körper Bewegung will und braucht. Bei allen Sportprogrammen, die ich je gemacht habe, sagte man mir, dass die Freude an Bewegung schon irgendwann kommt. Interessanter Weise kam sie aber nie. Ich konnte mir zwar eine Beweglichkeit zurückholen, aber diese Beweglichkeit nicht genießen, sondern es kam immer wieder ein Gefühl von „es ist noch nicht gut genug – es reicht noch nicht“ oder „jetzt musst du noch mehr machen“. Die Anfänge sind immer ganz besonders mühselig gewesen, immer bis zur vollkommenen Erschöpfung. Oh – und bis der Körper sich endlich mehr bewegen ließ und dann musste alles noch mehr gesteigert werden.
Aber ich habe meinen Körper immer, wirklich immer wieder beweglicher bekommen. Das tollste war in meiner Rehazeit. Ich hatte die Rehazeit wegen meiner Essstörung und ich war für 8 Wochen in einer Klinik. Danach war ich in der Lage fast 2 Stunden ohne Probleme spazieren zu gehen und es war mir möglich problemlos vom Fußboden wieder aufzustehen. Für andere eine Selbstverständlichkeit für mich ein wahres Problem – vom Fussboden wieder aufzustehen. Dann habe ich an der Sporthochschule Köln Sport gemacht und hatte einen Personaltrainer. Alles an sich ganz toll. Ich war von mir aus immer hoch motiviert und habe mich ja auch selber immer dazu angemeldet und mich gekümmert. In den letzten 6 Jahren war ich aber immer wieder krank mit massiven Erschöpfungszuständen. Angefangen mit Pfeifferschem Drüsenfieber und als ich danach wieder meine körperliche Leistungsfähigkeit steigern wollte, war ich schon nicht mehr so motiviert und hatte während des halben Jahres der Krankheit so massive Erschöpfungszustände, dass ich Sport und Bewegung absolut wegließ. Das hieß ich fing schon wieder bei Minus Null an. Dann war ich nach 1 1/2 Jahren endlich wieder so fit um meinen Alltag bewältigen zu können. Wieder versuchte ich alles um beweglich zu werden. 2 Jahre nach dem Pfeifferschen Drüsenfieber ein Burnout mit Muskelentzündungen am ganzen Körper. Schon wieder fiel alles ins Wasser. Ich wusste nicht, dass Erschöpfungszustände noch steigerbar waren, aber sie waren es. Als ich davon wieder genesen war und auch schon zeitgleich begann ich meinen Körper mehr und mehr zu spüren und was ganz besonders schlimm war, war die Erfahrung meinen Körper mit seinem ganzen Gewicht zu spüren und zu fühlen. Unerträglich. Diesen extrem schweren Körper bewegen zu müssen, eine einzige Horror. Als ich dann endlich im vorigen Jahr begann meine Bewegungsimpulse zu spüren, brach ich meinen rechten Fuß und seit dem habe ich zwar Bewegungsimpulse aber massive Schmerzen. Körperlich geht es mir so schlecht wie nie. Jedes Aufstehen mit stechenden Schmerzen in den Knien verbunden. Alleine wenn ich zur Toilette muss bekomme ich schon fast die Krise, weil ich ja schon wieder aufstehen muss. Jeden Tag nehme ich Schmerzmittel. Ich benutze immer noch mindestens 1 Krücke beim Laufen und in der Wohnung bewege ich mich hauptsächlich auf einem Rollhocker. Mein Körper war im letzten Jahr 4 Monate komplett ohne Belastung und mein Fussbruch soll angeblich nicht so verheilt sein wie gewünscht. Ich habe dabei irgendwie jegliche Hoffnung verloren und mich seit dem nur noch als „Krüppel“ wahrgenommen. Ich hasse diesen Zustand so sehr, aber einem massiven „Muss“ will ich mich irgendwie nicht beugen und gleichzeitig weiß ich es muss was passieren. Ich bin nicht blöd und ich weiß genau was es braucht, aber das Gefühl lässt sich sich vom Verstand nicht überreden. Daher ist es so unglaublich wichtig, den Bewegungsimpulsen zu folgen. Die sind das was mich bewegen lässt und was mir Freude an Bewegung vermittelt. Gleichzeitig ist da die massive Angst vor den unglaublichen Schmerzen und ein Widerstand in mir, diese Schmerzen aushalten zu müssen und zu ertragen.
Meine Freundin erinnerte mich jeden Tag und fragte nach, ob ich meinen Bewegungsimpulsen nachgehen konnte. Ich brauchte gestern mehrere Anläufe, bis ich mich endlich auf den Fahrradergometer begab und drauf los strampelte. Ich spürte nicht einen einzigen Moment Schmerz, nicht das kleinste Bisschen Schmerz. Immer wenn ich sonst auf den Ergometer gehe, sind die ersten drei Umdrehungen bereits die Höhle.Ich meine wirklich die ersten drei Umdrehungen. Es fühlte sich dann immer an, als wenn man mir die Knie auseinander reisst. Gestern konnte ich so gut und viele Umdrehungen machen ohne Schmerz. Mir liefen die Tränen vor Rührung – ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal etwas gemacht habe und keinen Schmerz dabei verspürt habe. Wenn ich sonst vom Fahrradergometer komme, waren meine Beine wackelig und ich konnte nicht mehr viel machen. Diesmal ging ich in den Keller, holte das Waschmittel vorab aus dem Auto. Immerhin fuhr ich es schon fast vier Wochen spazieren und traute mir mit meinen Knieschmerzen nie zu, es einfach nur so aus dem Auto zu holen und in den Keller zu bringen. Gestern tat ich es einfach so und stellt auch noch eine Waschmaschine an und als ich wieder hoch in meine Wohnung kam, ging ich nochmal auf den Fahrradergometer, einfach so. Ich bin den Impulsen gefolgt und es fühlte sich total leicht an. Ich konnte es kaum fassen. Heute hatte ich zwar ein bisschen Muskelkater, aber es belastete mich nicht. Ich bin begeistert.
In der letzten Nacht träumte ich sogar davon, einfach drauflos zu laufen ohne darüber nachzudenken. Einfach laufen. Wie oft beobachte ich Menschen dabei, wie selbstverständlich sie sich einfach bewegen. Als ich es selber auch noch konnte, aber ich es nicht als etwas besonderes wahrgenommen, aber jetzt sehe und bemerke ich die Einzigartigkeit und das Wunderbare an der Bewegungsfähigkeit. Ich sehne mich so unglaublich nach Fitness und Leichtigkeit, dass es mich alleine bei dem Gedanken daran fast zerreist. Wie oft wünschte ich, dass ich wie damals nach 8 Wochen Rehazeit einfach draufloslaufen kann.
Meine Freundin fragte mich vor einer Weile, wie ich es geschafft hätte. Ich erzählte ihr wie motiviert ich immer war und das ich aber jetzt zwar eine Art Motivation habe, aber keine Hoffnung mehr, jemals wieder Bewegung ohne Schmerz ausführen zu können. Dabei habe ich mir gestern bewiesen, dass es doch geht. Gestern war das erste Mal seid Jahren, Bewegung ohne Schmerz möglich. Dadurch spüre ich gerade so ein paar Funken Hoffnung.